
Deutschland als „Strombettler“? Eine nüchterne Betrachtung
Momentan kursiert die Behauptung, Deutschland sei zum „Strombettler“ geworden, da es Strom importiert. Doch wie berechtigt ist diese Kritik?
Faktencheck: Deutschlands Strombedarf und Importe
• Jährlicher Strombedarf: etwa 500 TWh
• Stromimporte 2023/2024: 3–5 % des Bedarfs
Das bedeutet: Ein kleiner einstelliger Anteil an Importen wird hier unnötig dramatisiert.
Leistung der deutschen Stromerzeugung
• Spitzenlast in Deutschland: ca. 70 GW
• Kraftwerkskapazität: ca. 295 GW
Selbst bei sogenannten Dunkelflauten – wenn Wind- und Sonnenenergie zeitweise ausfallen – stehen rund 95 GW Kapazität zur Verfügung. Deutschland bleibt somit auch in ungünstigen Szenarien eigenständig versorgungsfähig.
Warum dann Stromimporte?
• Kostenvorteile: Der Einkauf an der Strombörse ist häufig günstiger als das Hochfahren fossiler Kraftwerke.
• Umweltvorteile: Importierter Strom ist oft emissionsärmer.
Dieser Vorgang ist ökonomisch sinnvoll und kein Grund zur Besorgnis.
Strompreise und Wettbewerbsfähigkeit
• Industriestrompreise: aktuell auf dem Niveau von 2017.
• Internationale Subventionen: Länder wie China und die USA verbessern ihre Wettbewerbsfähigkeit durch staatliche Förderung.
Die Herausforderung für Europa liegt darin, seine Position in der globalen Wirtschaft zu stärken. Die Schuld allein bei der aktuellen Bundesregierung zu suchen, greift jedoch zu kurz. Wahlkampfdebatten könnten hier mehr Ehrlichkeit vertragen.
Vergleich mit anderen Importabhängigkeiten
Andere Importabhängigkeiten, die kaum Beachtung finden:
• Fossile Energien: Über 90 % Importanteil (Öl, Gas, Steinkohle). Diese Abhängigkeit war im Ukraine-Krieg ein massives Problem.
• Lebensmittel: Deutschland ist ohne Importe nicht selbstversorgungsfähig.
Es wirkt inkonsequent, dass gerade der Energiesektor derart kritisch betrachtet wird, während andere Abhängigkeiten weitgehend ignoriert werden.
Fazit
Die Diskussion über Stromimporte und -preise zeigt, wie stark politische und wirtschaftliche Interessen den öffentlichen Diskurs beeinflussen. Statt polemischer Kritik sollten wir uns auf sachliche Fakten und langfristige Strategien konzentrieren, um Deutschland unabhängig und zukunftsfähig aufzustellen.